Mein Röntgenbild bei Google

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Die eigene Gesundheit im Internet verwalten: Das Vorbild aus Amerika

Darüber schreibt Katja Gelinsky in der FAS

Wer kennt das nicht: Man wechselt den Arzt und sucht in alten Aktenordnern verzweifelt nach Unterlagen zur eigenen Gesundheitsgeschich te. Oder ein Familienangehöriger muss ins Krankenhaus, und nun gilt es, Fragen nach Medikamenten, Allergien und früheren Operationen zu beantworten. Das ist kein Problem für Patienten in den Vereinigten Staaten. Denn sie können seit einigen Monaten den kostenlosen Gesundheitsdienst “Google Health” in Anspruch nehmen. Dort speichern sie gemeinsam mit ihren Ärzten in einer Art elektronischer Patientenakte alle wichtigen Gesundheitsdaten – vom Röntgenbild über die Diagnose bis zu Impfungen. Sie müssen also nicht mehr alles im Kopf haben oder im Notfall beim Hausarzt abfragen – sie haben jederzeit selbst Zugang zu den Informationen, über das Internet. Große Kontrolle, Übersicht und ein schneller Zugriff – das sind die Dinge, die auch Mary Adams an Google Health schätzt. Die 45 Jahre alte Managerin für Informationstechnol ogie einer Anwaltskanzlei gehörte zu den rund 1600 Patienten der Cleveland Clinic, die Google Health während der Pilotphase testeten. “Wenn ich auf Reisen bin und ärztliche Hilfe benötigen sollte, kann ich überall, wo ein Computer steht, meine Gesundheitsinformationen abrufen. Das gibt mir größere Sicherheit”, schildert Adams. Die Informationsflut, die über das Gesundheitsportal auf sie zuströmt, verunsichert sie nicht. “Im Gegenteil, ich will mitreden können, wenn es um meine Gesundheit geht.” Diagnosen, Laborwerte und Impfungen kann Adams über Google Health im Internet verwalten. Außerdem kann sie Dienstleistungen verschiedener Anbieter aus dem Gesundheitswesen in Anspruch nehmen, die Partner von Google Health sind. So gibt es eine “virtuelle Pillenschachtel” , über die sie sich an die Einnahmezeit ihrer Medikamente erinnern lassen kann und die Informationen zu den Arzneimitteln und ihren möglichen Nebenwirkungen enthält. Ferner kann sie sich das Risiko für einen Herzinfarkt errechnen lassen. Auch große Apothekenketten wie “Walgreens” sind mit Google Health vernetzt. Die Kunden können mit ihrer Hilfe eine Liste ihrer Rezepte in die digitale Krankenakte laden. Außerdem kann man Informationen über Krankheitsbilder, Behandlungsmö glichkeiten und Ärzte über den elektronischen Gesundheitsservice beziehen. Für Patienten, deren Ärzte in Partnerkliniken von Google Health arbeiten, besteht zudem die Möglichkeit, über das Internet Termine zu vereinbaren und auf elektronischem Wege Informationen zu den laufenden Behandlungen zu bekommen. Allerdings gibt es bislang nur zwei solcher Partnerkliniken: das zur Harvard-Universitä t gehörende “Beth Israel Deaconess Medical Center” in Boston (Massachusetts) und die ebenfalls renommierte “Cleveland Clinic” in Cleveland (Ohio). Alle anderen Patienten können Google Health bislang nicht dafür nutzen, online mit ihren Ärzten zu kommunizieren. Man hoffe jedoch, zahlreiche weitere Kliniken und Gesundheitsorganisa tionen als Partner zu gewinnen, heißt es bei Google. Auch eine Kooperation mit Krankenversicherung en ist geplant. Wie viele Amerikaner das Gesundheitsportal derzeit nutzen, will das Unternehmen nicht verraten. “Der Service wird sehr gut angenommen”, ist alles, was man dazu erfährt. Wer mit Hilfe von Google Health eine elektronische Patientenakte anlegen will, braucht sich dafür nur mit seiner elektronischen Postadresse und einem Kennwort bei Google anzumelden. Zu Sicherheitsbedenken von Datenschützern heißt es, für die sensiblen Patientendaten habe man den stärksten Datenschutz entwickelt, den Google habe aufbauen können. Der Benutzer allein entscheide, wem er Einsicht gewähre. Bevor Google im Mai seinen neuen Dienst lancierte, der das Konkurrenzprodukt zu Microsofts elektronischer Patientenakte “Health Vault” ist, wurde das Vorhaben in einem zehnwöchigen Pilotprojekt an der Cleveland Clinic erprobt, die schon seit längerem mit elektronischen Patientenakten arbeitet. “Medizinische Leistungen können besser vorbereitet, überprüft und abgestimmt werden. Das spart Zeit und Kosten”, sagt Martin Harris, Leiter der Abteilung für Informationstechnol ogie an der Cleveland Clinic. Text: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 25.01.2009, Nr. 4 / Seite 47

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