Zahnärtze erheben sich gegen ihre Vereinigungen

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Zahnärzte wollen ihrer Standesvertretung die Zähne zeigen

Mit den Fachärzten klagen jetzt auch die Zahnmediziner über mangelnde Transparenz

Nach den Protesten der Fachärzte gegen die seit 1. Januar geltende Honorarreform erheben sich jetzt auch die Zahnärzte gegen ihre Vereinigungen. Ein Papier der Freien Zahnärzteschaft, das jüngst verabschiedet wurde, fordert die Abschaffung der Kassenzahnärztlichen Vereinigungen (KZVen) und der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen). Unterzeichner sind elf zahnärztliche Organisationen aus ganz Bayern von Aschaffenburg bis Ebersberg. Neben den Obmannsbezirken Freyung/Grafenau und Regen hat sich auch der „Zahnärzte Bayerwald e.V.“, ein Zusammenschluss von Zahnmedizinern und Zahntechnikern im ostbayerischen Raum, dem schriftlichen Protest angeschlossen.Sein Vorsitzender Roman Bernreiter betreibt eine Zahnarztpraxis in Zwiesel und ist außerdem Obmann der Zahnärzte des Landkreises Regen. Er will die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen abschaffen, weil sie „lediglich Organe zur Kontrolle und Überwachung der Ärzte“ sind. Ansonsten seien sie vor allem ein Kostenfaktor: Mit der KZV als Bindeglied zwischen Krankenkasse und Arzt käme nur noch ein Bruchteil der Gelder letztendlich beim Patienten an, kritisiert der Zahnärzte Bayerwald e. V.
Er vertritt die Position, dass auch Krankenkassen und ärztliche Bezirksverbände – sie sind Unterorganisationen der Ärztekammer, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts – die medizinische Versorgung und deren Abrechnung organisieren könnten. Bestes Beispiel haben laut Bernreiter die aktuellen Proteste gegeben: „Zu jeder Zeit, zu der im Arbeitskampf Praxen geschlossen wurden, hat es Notdienste gegeben, die die medizinische Versorgung der Bevölkerung gewährleistet haben“, sagt er. „Selbst um das zu organisieren, haben wir die KZV nicht gebraucht.“
Alternativ sieht der Zwieseler Zahnarzt ein direktes Arzt-Patienten-Verhältnis vor sich: „Der Patient bekommt eine Rechnung von seinem Zahnarzt, in der die Leistungen aufgeführt sind. Damit geht er zu seiner Kasse und lässt sich den Betrag auszahlen. Den überweist er dann an seinen Arzt. Dafür kann ich mir durchaus ein Zahlungsziel von vier bis sechs Wochen vorstellen.“


Direkte Zahlung per Rechnung


Damit wäre der Patient als Rechnungsbegleicher immer noch um ein Wesentliches schneller, als es die KZVen derzeit seien, sagt auch Peter Eichinger, Präsident der Freien Zahnärzteschaft mit Gemeinschaftspraxis in Passau. Eichinger nennt ein Beispiel: „Angenommen ich reiche die Abrechnung für das zweite Quartal 2009, also April bis Juni, am 6. Juli ein. Dann wird die Auszahlung etwa am 27. September erfolgen. Das heißt, ich weiß monatelang überhaupt nicht, wie viel ich eigentlich bekomme.“ Denn dass die KZV den vom Zahnarzt geforderten Betrag in vollem Maße genehmigt, kommt selten vor. „Erfahrungsgemäß bekomme ich nur 95 bis 96 Prozent meiner tatsächlichen Leistung bezahlt“, sagt Eichinger. Den Rest hakt die Vereinigung als nicht zahlungswürdig ab, weil er den strengen Abrechnungsvorschriften widerspricht. Im Anschluss an diesen Prozess folgt eine genaue Prüfung durch die KZV, die bis zu zwei Jahre dauern kann. Binnen dieser Zeit muss der Zahnarzt dauerhaft mit einer Rückforderung rechnen, weil Leistungen, die er erbracht hat, als „Überbehandlung“ deklariert werden.
„Fakt ist: Die KZV kostet mich und jeden anderen Kollegen vier Prozent meines Gehalts“, sagt Eichinger. Das von Bernreiter und dem Zahnärzte Bayerwald e. V. geforderte direkte Arzt-Patienten-Verhältnis bezeichnet deshalb auch der Passauer Zahnmediziner als ideal. Realistisch findet er aber nur die Variante, nach der dem Patienten die freie Wahl bleibt. Die Politik habe Angst vor mangelnder Kontrolle und werde deshalb nie die reine Rechnungszahlung über die Kasse zulassen.
Derzeit hat der Patient zwar die Wahl zwischen beiden Abrechnungsformen. Die Entscheidung zur direkten Abrechnung wird allerdings „bestraft“, wie Eichinger es nennt: „Bei direkter Kostenerstattung ziehen die Kassen zwischen 7,5 und 10 Prozent von den Behandlungskosten ab.“ Peter Eichinger fordert deshalb die Gleichstellung beider Abrechnungssysteme.


„Politik hat ein Ungetüm geschaffen“


Dieser Protest stößt bei Dr. Janusz Rat, Vorstandsvorsitzender der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Bayern, auf Unverständnis. Dass die Kassenärztlichen Vereinigungen die Honorarreform und das „Gesundheitsfondsungetüm“ nicht umsetzen können, mache sie nicht obsolet. Im Gegenteil: „Wenn die es schon nicht schaffen, dann die Politik oder die Krankenkassen erst recht nicht“, sagt Rat. Mit der Umwandlung des Systems „im Blindflug“ habe die Politik erst den Unmut provoziert und Honorareinbußen und Grabenkämpfe verursacht. „Die Abschaffung der KZVen und KVen hätte nur ein Gutes: Die Politik könnte sich nicht mehr auf sie ausreden, sondern hätte den Schwarzen Peter selber in der Hand“, ist Rat überzeugt.
Angesprochen ist damit unter anderem SPD-Bundestagsabgeordneter Florian Pronold. Auch er ist der Meinung, dass die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen nicht notwendig sind.
Der Abgeordnete aus dem Wahlkreis Rottal-Inn verlangt Transparenz: „Um konstruktiv zu diskutieren, müssen die Ärzte zunächst einmal ihre tatsächlichen Verdienste offenlegen. Die Ergebnisse des ersten Quartals 2009 könnten gute Gesprächsgrundlage sein. Dass die Ärzte sie zurückhalten, sagt mir, dass ihre Verdienste eben doch nicht so schlecht sind, wie sie immer behaupten.“
Das Statistische Bundesamt habe für eine durchschnittliche Fach- oder Zahnarztpraxis einen Jahresgewinn von 120 000 Euro ermittelt. Bernreiter vom Bayerwald e. V. hält dem entgegen, dass Steuerleistungen, Darlehenstilgungen aus Praxisbau und -ausrüstung, Rücklagen für Reinvestitionen sowie ein Beitrag zur Ärzteversorgung da nicht berücksichtigt sind. Laut seinen Berechnungen verbleiben abzüglich dieser Beträge am Jahresende 10 500 Euro beim Praxisinhaber.
Die Finanzen sind auch das Thema an der Honorarreform der Ärzte, das Bayerns Gesundheitsminister Markus Söder (CSU) sauer aufstößt. Seit Beginn des Jahres rennen die Fachärzte gegen ihre Vereinigungen und die dort geltenden Abrechnungssysteme an. Söder will die Reform mit der schwarz-gelben Koalition im Freistaat kippen, während die Schwesterpartei CDU in Berlin die Reform mit Koalitionspartner SPD abgesegnet hat.


CSU beklagt Ungleichgewicht


Er bezeichnet die Verteilung der Versichertengelder durch die Kassenärztlichen Vereinigungen im Vergleich von West und Ost als ungerecht. Deshalb bezweifelt auch er den Sinn dieser Körperschaften. Uneins ist sich die CSU mit der Bayern-SPD allerdings über adäquaten Ersatz: „Eine Bürgerversicherung, wie sie die SPD fordert, ist ein zentralistisch-sozialistisches Organ, das die CSU ablehnt“, sagt er. „Wir wollen eine freiheitliche, bürgerliche und föderale Lösung des Problems.“

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