Zahnarzt: Machtlos gegen Facebook

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 Am Anfang war ja alles noch ganz lustig. Ein Facebooknutzer kopierte das Teamfoto von der Webseite der Schwäbisch Haller Zahnarztpraxis Dr. Löhlein und stellte es im sozialen Netzwerk ein.  „Kann jemand die Vorliebe dieses Zahnarztes erkennen?“, fragte er in die öffentliche Runde – und innerhalb von wenigen Stunden wurden Klaus Löhlein und seine sieben blonden Arzthelferinnen zu einer Internetberühmtheit (die Stimme berichtete).Jetzt, genau eine Woche nach dem Netzaufruhr, scheint alles vorbei zu sein. Der Hype um die Blondinenpraxis ist schon wieder Geschichte, so schnell kann das gehen. „Das ist auch ganz gut so“, sagt Löhlein mit einer Erleichterung, die man ihm sofort abnimmt. „Uns hat die Sache etwas Angst gemacht.“

Situation hilflos ausgeliefert

Tausende Kommentare in Facebook, hunderte Emails auf den Praxisrechnern, viele Anrufe, auch obszöne: Die unfreiwillige Popularität und die Entwicklung einer kurzen Copy&Paste-Aktion eines einzelnen Facebooknutzers zeigen anschaulich, wozu das Internet in der Lage ist. Mit welcher Machtlosigkeit man Facebook gegenüber stehen kann, von einer Sekunde auf die nächste. „Du bist der Situation ausgeliefert, einfach ausgeliefert, und du kannst absolut gar nichts dagegen machen“, sagt Löhlein. „Ich halte das für sehr bedenklich.“

In seinem Fall sei es glimpflich abgelaufen, fasst er die Geschehnisse in den vergangenen Tagen zusammen. Aber was wäre gewesen, wenn? „Es hätte kippen können“, sagt Löhlein. Zwischen den vielen witzigen Facebookkommentaren zur Personalauswahl in seiner Praxis gab es einzelne sehr beleidigende Reaktionen.

Anwalt: „Still halten“

Löhlein besprach sich umgehend mit seinem Rechtsanwalt, wie er sich verhalten soll. Es hätte ja auch sein können, dass die Situation plötzlich stalkingähnliche Züge annimmt. Der Anwalt riet ihm: „Still halten“.

Bloß nicht einmischen, nicht selbst mit dem Kommentieren beginnen, nicht für irgendetwas rechtfertigen. Und Ende mit den Interviews. Der erste Boulevardfernsehsender hatte sich über Ostern bei ihm gemeldet, Löhlein sagte ab. „Letztlich ist das Thema doch echt zu banal“, sagt er.

Insgesamt gesehen gab es auf die lustige Geschichte sehr viele positive Reaktionen, und deshalb können Löhlein und seine auffällig blonden Angestellten auch mit ihrer neuen Internetberühmtheit leben. Doch fast alle der Damen haben ihre Facebookidentität verändert – so, dass sie nicht von jedem Nutzer gefunden werden können. „Ich werde das auch so beibehalten“, sagt eine der verunsicherten Arzthelferinnen.

Löhlein bedauert, dass es so überhaupt weit gekommen ist. Seine Angestellten hätten das aus Gründen der Vorsorge gemacht, aber selbst das sei ja eigentlich schade. Dem Facebooknutzer, der das Foto einfach von seiner Zahnarztwebseite kopiert hatte, will er keinen Vorwurf machen. „Was soll das bringen?“, fragt er sich. Der Mann habe ja nicht gewusst, was er damit auslöse.

Zudem, gesteht Löhlein ein, sei das Teamfoto ja auch wirklich sehr lustig. Seine Frau hatte die Webseite professionell gestaltet, sie ist Designerin. Das Foto selbst steht jetzt länger als ein halbes Jahr im Internet, auch Freunde von ihnen hätten sich schon darüber amüsiert.

Zurück zum Alltag

Löhlein ist es jetzt aber definitiv genug. Er will wieder zum Alltag übergehen, es wartet eine endlose Reihe von Patienten.

„Es war eine sehr interessante Erfahrung, aber ich brauche das nicht unbedingt nochmal“, sagt er. Einer seiner beiden jungen Söhne kam am Osterwochenende zu folgendem Schluss: „Papa, ich glaube, ich will später nie berühmt werden.“

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