Mann mit Biss füllt Zahn- und Marktlücken

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Kurt Ruffieux redet wie ein Zahnarzt, ist es aber nicht. Er ist Maschineningenieur, hat eine Firma aufgebaut, die erst nach zehn Jahren die Gewinnschwelle überschritten hat, trotz guten Geschäftsideen. Fast gescheitert und doch noch geglückt ist es schliesslich wegen – Zahnärzten.

Wundversorgung für einen gezogenen Zahn aus bioabbaubarem Material  aus der Firma von Kurt Ruffieux (r.), dem Gründer von Degradable  Solutions. (Bild: zVg)

Wundversorgung für einen gezogenen Zahn aus bioabbaubarem Material aus der Firma von Kurt Ruffieux (r.), dem Gründer von Degradable Solutions. (Bild: zVg) <!– (mehr Bilder) –>

Ein Zahnarzt stand am Anfang von Ruffieux‘ Unternehmen. Dieser machte den damaligen ETH-Oberassistenten darauf aufmerksam, dass nach dem Ziehen eines Zahns eine klaffende Lücke im Kiefer zurückbleibt. Wundverschlüsse gab es nicht, was die Gefahr von Infektionen und Knochenabbau barg. «Ein Zustand wie im Mittelalter», sagte Ruffieux anlässlich seines Vortrags des Alumni Business Dinner vom 17. Juni 2010.

Marktlücke Zähneziehen

Die Aussage des Zahnmediziners liess ihn aufhorchen. Die Zahnlücken waren eine Marktlücke. Jedes Jahr werden in Europa 32 Millionen Zähne gezogen – ohne Wundversorgung. Ruffieux‘ Idee: eine «root replica», eine passgenaue Kopie des gezogenen Zahns aus bioresorbierbarem Material, mit dem die Wunden versorgt werden sollten. Diese würde knapp 600 Franken kosten. Ein Knochenaufbau, der allenfalls nach einer Zahnextraktion ohne Wundverschluss nötig werden kann, kostete damals mehr als das doppelte. So schrieb er während seiner Doktorarbeit den ersten Businessplan – und gründete 1999 «Degradable Solutions». Dass es über zehn Jahre dauern sollte, bis er die Gewinnschwelle schaffen sollte, damit rechnete er damals nicht.

Zwar lancierte Ruffieux neben seinen Zahnlücken-Implantaten weitere medizinische Produkte, etwa Platten und Schrauben für die Gesichtschirurgie sowie Fixationsbänder, um etwa gerissene Bänder zu stabilisieren. Dennoch kam Degradable Solutions lange nicht vom Fleck. Dies hatte vor allem einen Grund: Nur wenige Zahnärzte wollten die neuartigen Implantate verwenden, zu kompliziert das Handling, zu wenig vertraut die Technik. «Es war entgegen der Lehrmeinung», betonte Ruffieux. Beinahe ging die Firma ein. Es brauchte mehrere Finanzierungsrunden – und neue Ideen.

Spritze statt hartes Implantat

Und die hatte er. Statt fixer Implantate entwickelte er eine Spritze, mit der das Wundverschluss-Material direkt in die Lücke gespritzt werden sollte. Neu war auch der Marktauftritt: «easy-graft» nannte er das Produkt und verknüpfte es mit einem Schweizer Symbol, dem Matterhorn. Zahnärzte erhielten eine Testpackung und zeigten sich begeistert. Dennoch gab es einen Haken: Die Implantats-Spritze drohte aufwändige und teure Operationen am Kiefer teilweise überflüssig zu machen. «Die Zahnärzte verdienen nicht so viel daran, auch wenn das Produkt super ist», sagte Ruffieux.

Doch allmählich setzte sich der Unternehmer am Markt durch. Nach zehn Jahren und mehreren Finanzierungsrunden, die teils «fünf nach zwölf» erfolgten, ist Degradable Solutions in die Gewinnzone eingefahren. Ruffieux ist zuversichtlich, dass er und seine mittlerweile 20 Mitarbeiter weiterhin erfolgreich sein werden. In diesem Jahr sollen die Finanzen konsolidiert werden, für 2011 plant er den Markteintritt von «easy-graft» in Brasilien und den USA.

Beharrlich, überzeugt

Ohne seine Überzeugung, hohe Fachkompetenz und Entschlossenheit hätte er die Firma nie in die schwarzen Zahlen gebracht, begründete er den gegenwärtigen Erfolg. Es sei wichtig gewesen, Kunden gegenüber ehrlich zu sein und in den Gründerjahren bescheiden zu leben. «Wichtig war auch, dass ich mich vom Wissenschaftler zum Unternehmer und CEO entwickelt habe», so Ruffieux. Auch ohne das Vertrauen der Geldgeber – treue Aktionäre, von denen in all den Jahren keiner seine Aktien abgestossen hat – hätte er den Laden schliessen müssen, folgerte der Firmengründer.

Wesentlich sei aber auch gewesen, dass er sich den Wünschen seiner Kunden – Zahnärzte – angepasst habe. Diese zu bewerben sei einfacher und billiger, als mit aufwändigen Werbekampagnen die Patienten aufzuklären und sie soweit zu bringen, das Produkt von ihrem Zahnarzt einzufordern. «Zahnärzte lieben es nicht besonders, wenn ihnen die Patienten dreinreden», machte Ruffieux klar, weshalb er sich auf dieses Kundensegment konzentriert hatte. Und noch etwas sollte sich zu seinem Vorteil bezahlt machen: Er versteht nicht nur die Sprache der Gilde, er spricht sie auch. Selbst wenn Ruffieux nicht wie ein Zahnarzt auftritt.

Maschineningenieur mit Flair für Zahnmedizin

Kurt Ruffieux ist Gründer und Inhaber der Firma Degradable Solutions AG mit Sitz in Schlieren. Er erhielt in seiner Karriere mehrere Preise für seine Arbeit an biodegradablen Polymeren für Implantate. Ruffieux ist 45 Jahre alt, erhielt 1992 an der ETH Zürich seinen Master-Titel in Maschinenbau und promovierte 1997 über degradable Knochensynthese-Systeme. Von 1994 bis 2001 war er Oberassistent in der Professur für Biokompatible Materialien. 1999 gründete seine eigene Firma mit dem Ziel, innovative, bioabbaubare Implantate zu kreieren.

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One Response to “Mann mit Biss füllt Zahn- und Marktlücken”

  1. Heidi CRISTINA Says:

    Gibt es Publikationen ueber das Thema
    Danke Ihnen im voraus

    mit kordialen Grüssen
    H C

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